Anna Hetzer, Kevin Junk, Biba Nass (Hrsg.) – Parabolis Virtualis 2
Anna Hetzer, Kevin Junk, Biba Nass (Hrsg.) – Parabolis Virtualis 2

Anna Hetzer, Kevin Junk, Biba Nass (Hrsg.) – Parabolis Virtualis 2

„Coming (out). Getting through.“

Mit Parabolis Virtualis 2 geht die Reihe der neuen, queeren Lyrik in die zweite Runde. Im Querverlag erschien bereits 2021 der erste Band und wurde herausgegeben von Kevin Junk. Im zweiten Band schließen sich nun Anna Hetzer und Biba Nass als Herausgebende an. Vierzehn queere Autor*innen widmen sich, frei von verstaubten Lyrikkonventionen, ihren Lebensrealitäten. Das Layout hat sich, verglichen mit dem Vorgänger, lediglich dahingehend verändert, dass nun die kleinen biografischen Vorstellungen der Autor*innen am Ende des Büchleins gesammelt aufgeführt werden. Ästhetisch vollendet wird die Anthologie durch Illustrationen von Nick Gauci, die die Texte der Beitragenden miteinander verbinden. Angelehnt daran wie im ersten Band Kevin Junk die Berechtigung und Notwendigkeit von queerer Lyrik verhandelte, verbindet Anna Hetzer in einem abschließenden Essay lesbische Erotik mit Poetologie.

„Ich habe mich, meine Wut im unersättlich Sehnsucht fressenden / Bauch, meine Träume in der Hand und ein Leben.“

Anna Hetzer erklärt, „wenn es eine Tradition in der Queeren Literatur gibt, dann, dass sie systematisch missachtet wird“. Was in der Prosa schon tief verankert ist, gipfelt in der Lyrik. Genau dem nimmt sich die Reihe Parabolis Virtualis an und wartet mit einem nuancierten Spektrum an queeren Erfahrungen, Hoffnungen und Träumen, verwoben in Gedichtform auf. Die Poet*innen bedienen sich einer gegenwärtigen Sprache, lösen sich von der gängigen äußeren Form, mischen unbeschwert Englisch und Deutsch, beschönigen nichts und schreiben dennoch unfassbar schöne Verse. Die Wut, Trauer und Verzweiflung, das Begehren, die Euphorie und das Bewältigen sind für die Lesenden regelrecht spürbar und reißen mit.

Von Geschlechtsdysphorie, ausgedrückt durch „die nutzlose hüfte, versteckt hinter / textil-landschaften“, über sexuelle Lust, die von Übergriffigkeit und Diskriminierung übermannt wird: „Erst kamst du in mir. / Dann auf mein Land / und meine Kultur.“, bis hin zur Erniedrigung, die zur Ermächtigung transformiert wird: „Ach, Sie finden, es ist zu viel Fotze in diesem Gedicht? / Ein wenig über die Kante? / Haben Sie cunt gesagt? / Hey, ich hör mir das jeden Tag an / jetzt seid ihr dran / Fotze / Fotze / Fotze“ werden den Lesenden persönliche Einblicke in unterschiedlichste Lebensrealitäten gewährt.

„konsumiere Biografien, konsumiere Körper, / sie stapeln sich aufeinander, zu Türmen / werde nicht satt.“

Queere Lyrik bietet auf besondere Weise Raum zur Identifikation, zum eigenen Wachsen anhand der Texte und zur Sichtbarkeit von queeren Lebensrealitäten. Die Reihe Parabolis Virtualis macht das möglich. Auch im zweiten Band lassen sich aufgrund der Vielfältigkeit der Inhalte und Identitäten für jede*n Lieblingsgedichte finden, oder einzelne Strophen, die sich einbrennen, weil sie so berühren.

Ein Ausblick: die Diversität wird weiter und intersektionaler gedacht im dritten Band der Reihe, der sich explizit der Lyrik von afro-diasporischen, Schwarzen, queeren Schreibenden widmet.

Eine Empfehlung ist für den hier vorgestellten zweiten Band sowie die gesamte Reihe auszusprechen!

von Michaela Minder

Anna Hetzer, Kevin Junk, Biba Nass (Hrsg.)
Parabolis Virtualis 2. Neue, queere Lyrik
Querverlag 2022
96 Seiten
10,00 Euro

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