Theater im Gärtnerviertel – TiG – Thelma & Louise
Theater im Gärtnerviertel – TiG – Thelma & Louise

Theater im Gärtnerviertel – TiG – Thelma & Louise

„Fears left behind. Girls on a ride. No cage. Just like Thelma and Louise”

(aus dem Song Thelma & Louise von den Horrorpops)

CW: sexualisierte Gewalt und Übergriffigkeit, Vergewaltigung, Tod

Die Reise geht los – im BMW-Cabrio in Rot, in Arkansas, einem südlichen Staat in den USA und wir lassen uns ein auf eine Roadstory mit Thrillerelementen, dem Versuch eines Befreiungsschlags mit ergreifend-bitterem Ende.

Wir haben Thelma & Louise zugesehen, beim Rebellieren, beim Versuch des Ausbrechens aus gewaltsamen, patriarchalen Strukturen, beim sich Wehren, bei ihrem Suizid. Am 20.06.2024 begann die Wiederaufnahme des Stücks nach dem Drehbuch von Callie Khourie und der Bühnenfassung von Heidi Lehnert im TiG.

Das Stück beginnt mit genervten, sich streitenden Stimmen aus dem Off, untermalt mit Musik der beiden männlichen Schauspieler Benjamin Bochmann und Martin Habermeyer. Anschließend ein Interagieren mit dem Publikum von Seiten Louises: “Kaffee, entkoffeiniert?“ Die beiden Frauen Thelma (Aline Joers) & Louise (Laura Mann) haben genug vom Hausfrauendasein und Kellnern, sie entfliehen ihrem Alltagstrott. Beim ersten Stopp wird Thelma beinahe vergewaltigt, Louise befreit sie aus der prekären Situation, die sie selbst kennt – mit einem Schuss. Es geht um Degradierung, das Aufbrechen patriarchaler Strukturen und damit einhergehende aber ohnehin präsente, systemische sexualisierte Gewalt, die nicht ausschließlich Frauen betrifft und daneben oft und gerne tabuisiert wird:

„Hab dich nicht so“

Es ist ein Aufzeigen dessen, was Frauen jahrzehntelang und bis heute versuchen transparent zu machen, ihnen jedoch die mangelnde Glaubhaftigkeit des Patriarchats einen Strich durch die Rechnung macht: Wer glaubt uns Frauen schon, man kann ihm ja nichts nachweisen. Die Schauspielerinnen nennen gewandt an das Publikum etliche Gründe, warum Betroffene die Täter*innen nicht anzeigen: „weil ich mich geschämt hatte; weil der Täter mich niedergeredet, beleidigt, bedrängt hat, bis ich ja gesagt habe; weil es ihm so schlecht ging; weil ich nach außen so cool wirke; weil wir nach außen so ein tolles Paar waren; weil der Täter Familie hat”.

Die Schauspielenden sprechen das aus, was zu sehen noch viel härterer Tobak wäre. Dem Publikum wird es insoweit leicht gemacht, als dass die Vergewaltigung nur verbal inszeniert wird. Die Gewalttat nicht physisch nachzustellen, ist sensibel umgesetzt und mit der eindringlichen Narration aus dem Off, die sich frontal direkt ans Publikum widmet, wirksam genug. Dennoch ziehen sich durch das gesamte Stück immer wieder kleine „Witze”, die die Schwere aufgrund der Thematik auflockern und dem Publikum Ausflüchte bieten sollen. Teilweise erscheint dies unpassend, da es für die Betroffenen auch keine Ausflüchte aus der erlebten Realität gibt und man als Publikum auch mal für zwei Stunden zur Reflektion gezwungen sein und das beengende Gefühl aushalten kann und auch soll. Die scheinbar lustig gemeinten Slapsticks lassen die Ernsthaftigkeit dort bröckeln, wo es sie so unbedingt braucht. Das Stück trägt sich auch ohne derartige „Auflockerungsversuche”.

Von Arkansas nach Texas, ein amerikanisches Märchen mit bitterem Ende

Ein Roadmovie in schwarzen Schleier gehüllt, aufgeführt in der Punschlagerhalle von DelikatessMüller. Mit gekonnter Schauspiel- und Gesangskunst. Sounds wie das Anlassen des Motors oder ein Telefonklingeln, ein Schuss – all das wird stimmlich inszeniert, kein Backstage, ein Umziehen auf der Bühne. Die begrenzten Möglichkeiten der Bühnenausstattung wurden kreativ und mit Bravour umgesetzt! Hier könnte sich die ein oder andere größere Produktion eine Scheibe abschneiden.

Schade, dass dieser brisante Stoff, der Brad Pitt im Filmdebüt groß werden hat lassen, so hochaktuell ist. Er hält einem den Spiegel der bitteren, patriarchalen Realität vor – blickt hinein. Callie Khourie gewann 1992 für das beste Originaldrehbuch den Oscar. Das ist jenes, dessen Stoff ein Jahr zuvor 1991 in den Kinos zu sehen war. Anspielungen auf das Stück finden sich in etlichen Filmen und Serien, darunter die Simpsons. Auf Spotify findet sich ein zum Stück namentlich identischer Song der Horrorpops.

Einen Theaterbesuch ist nachdrücklich zu empfehlen, die Thematik braucht Raum, auch noch nach 20 Jahren, leider! Die nächsten Vorstellungen finden unter anderem am 26.06., 27.06., 28.06. sowie an weiteren Terminen im Juli statt und sind auch auf der Website des TiG unter dem folgenden Link zu finden: https://tig-bamberg.de/termine/.  

von Michaela Minder und Miriam Mösl

v.l.n.r.: Aline Joers, Benjamin Bochmann, Laura Mann, Martin Habermeyer

v.l.n.r.: Laura Mann, Martin Habermeyer, Benjamin Bochmann, Aline Joers

v.l.n.r.: Aline Joers, Laura Mann, Benjamin Bochmann, Martin Habermeyer

Alle Fotos: © Werner Lorenz

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