„Warum bin ich so geladen?“
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Mit dieser Frage beschäftigt sich die katholisch sozialisierte Klara den gesamten Roman hindurch in Bible Bad Ass. Die Autorin Edith Löhle lässt die feministische Protagonistin zeitgenössische Fragen zur weiblichen Sozialisation stellen, die tief in die heilige Geschichte reichen.
Klara ist dreißig und hat die glorreiche Idee, als Redakteurin für das Magazin OWN über die queere Priesterin Annina zu schreiben. Der Plan gilt als insoweit misslungen, als dass ihr Vorgesetzter Martin den Artikel antifeministisch überarbeitet und Annina als Objekt, anstatt mit eigener Stimme dargestellt wird. Jeglicher, einst feministischer Sound wird ausradiert.
Nach dem ersten Treffen mit der bikenden Priesterin landet Klara in einer unbekannten Chatgruppe, die zunächst nach Esoterik-Sekte klingt und detailreich über die Protagonistin Bescheid weiß. Wer’s glaubt wird selig, oder wessen Hände waren da im Spiel?
„‚Weißt du, was mich am Christentum so aufregt?‘ pruste ich los, als wir telefonieren und Annina mir ihren Alltag als offen queere Pfarrerin schildert – Sexismus und Generationskonflikte inklusive. ‚Da gibt es einfach keine Frauenfigur, mit der sich eine moderne junge Frau identifizieren kann!‘“
Wuterus: synekdochische Symbolik für die Leidtragenden des Patriarchats
In der Chatgruppe klären Bibelfiguren wie die angebliche Hure Maria Magdalena oder die vorchristlich slutgeshamte Lilith über ihre Verdrängungsgeschichte innerhalb der Bibel auf, zeigen Evangelien und setzen Klara darüber in Kenntnis, wofür sie als Figur in der Heiligen Schrift stehen. Daneben erhält Leser*in Einblick in die Alltagstristesse der Ich-Erzählerin, die ihre Gefangenschaft im Patriarchat erläutert: Vogue-erschöpfte Feministin gerät in die Fänge weiblicher Fundamentalist*innen, so zumindest der Blick aus Klaras Umfeld. Beim ermüdenden Kampf gegen historisch geprägten Alltagssexismus vergönnt der fantastische Chat den Rezipient*innen zumindest einen Hauch inneren Lesefrieden, der sich sukzessive auf die Figur überträgt. Aus Wut wird Akzeptanz, die in eigenes Handeln mündet.
Beim Öffnen von Löhles Debütroman stößt Leser*in zunächst auf ein schön gestaltetes Himmelreich, das an kirchliche Freskenbemalung erinnert. Die Autorin bettet in ihren Roman neben Begriffen aus der feministischen Bewegung an einigen Stellen Lyrics ein, die vom Frausein handeln – von Whitney Houston über Florence & the Machine bis hin zu Meredith Brooks. Gar existiert auf Spotify eine Playlist zum Roman.
Bible Bad Ass lebt von einer Leichtigkeit an Humor, birgt daneben zahlreiche Informationen zur Rolle der biblischen Frauenfiguren, misogynen Übersetzungen der Bibel und patriarchaler Strukturen, die bis ins Hier und Jetzt reichen und die Diversität der weiblichen Figuren untergraben. Der Roman greift den inneren Zwiespalt auf, der sich in Frau hervortun kann, sobald die Historizität der Misogynie entlarvt wird.
„Warum bin ich so geladen? Weil ich in der Schule nichts über die Frankenkönigin Brunichild gelernt habe, obwohl sie den Westen von der Antike in das Mittelalter geführt hat. Aber Hauptsache wir kennen Karl den Großen.“
Eine Bad Ass Idea von Seiten Löhles, sich einen Einblick in die Verflochtenheit von Misogynie und Bibel zu Gemüte zu führen. Ein gelungenes Betrachten weiblicher Bibelfiguren oder auch feministische Theologie in Romanform. Amen.
von Miriam Mösl
Edith Löhle
Bible Bad Ass
Leykam 2024
288 Seiten
24,00 Euro
ISBN 978-3-7011-8322-7