Ein Metaroman
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Die preisgekrönte Autorin Rachel Cusk legt mit Parade ihren neusten Roman vor, wobei Roman vielleicht gar nicht die richtige Kategorie ist. Cusks Werk erzählt relativ unzusammenhängende Geschichten, zusammengehalten werden sie durch einen Buchstaben: G. Denn hinter dem anonymen Initial G. stecken verschiedene Künstlerinnen und Künstler, in unterschiedlichen Settings, Familien und Körpern. Dabei scheinen die meisten recht frei erfunden, ein G. erinnert aber an den Maler Georg Baselitz, der damit berühmt wurde, dass er seine Porträts verkehrtherum malte und seine Figuren letztendlich auf dem Kopf standen:
„Als G.‘s Frau die umgedrehten Bilder zum ersten Mal sah, fühlte sie sich, als hätte jemand sie geschlagen. Das Gefühl, dass alles richtig erschien und doch grundlegend falsch war, erkannte sie auf Anhieb wieder. Dies war ihre Befindlichkeit, die Befindlichkeit ihres Geschlechts.“
Was in diesem Zitat anklingt, zieht sich durch das gesamte Buch: Reflexionen über Kunst, das Dasein und schöpferische Kraft. Dabei unterscheidet sich das Potenzial sich in die G.’s einzufühlen von Geschichte zu Geschichte. Über manche erfährt man mehr – auch dadurch, dass sie hier, wie im Fall von G.‘s Frau, durch die Augen einer anderen Figur charakterisiert werden – über andere weniger.
Große Literatur ja, emotional nur selten
Cusk schreibt sehr intellektuell, pointiert und sachlich. Viele der Figuren sind so dermaßen reflektiert und rational, dass sie ihre Gefühle direkt in gesellschaftliche Zusammenhänge einbetten. Mir persönlich hat da eine gewisse unreflektierte und emotionale Subjektivität und somit Greifbarkeit gefehlt; dies kam für mich nur in wenigen Momenten des Buchs durch.
Parade ist eher ein Konzeptbuch, und für das Konzept muss man Cusk wirklich loben. Durch die unterschiedlichen Künstlerinnen und Künstler G. spiegelt sie nicht nur den Kunstbetrieb, die Tücken von kreativem Schaffen und den Menschen, die davon beeinflusst werden, wider, sondern philosophiert unter dem Deckmantel der Figuren über Frau-Sein, Familie, Erzählinstanzen und darüber, wie frei wir wirklich in unseren Entscheidungen sind. Das Metakonzept von Parade geht durchaus auf, denn nach dem Lesen setzen ganz ähnliche Denkprozesse ein.
von Theresa Werheid
Rachel Cusk
Parade
Aus dem Englischen von Eva Bonné
Suhrkamp 2024
171 Seiten
25,00 Euro
ISBN 978-3-518-43195-5