Thomas Schlesser – Monas Augen – Eine Reise zu den schönsten Kunstwerken unserer Zeit
Thomas Schlesser – Monas Augen – Eine Reise zu den schönsten Kunstwerken unserer Zeit

Thomas Schlesser – Monas Augen – Eine Reise zu den schönsten Kunstwerken unserer Zeit

„Alles Schöne auf der Welt“

In seinem Debutroman Monas Augen thematisiert der Kunsthistoriker Thomas Schlesser die heilende Kraft der Kunst. Mona ist zehn Jahre alt, als sie ihr Augenlicht für eine Stunde verliert. Plötzlich ist alles dunkel. Danach bleibt die Angst, dass dies wieder geschehen, dass sie vielleicht sogar für immer erblinden könnte. Der Arzt empfiehlt, Mona zu einem Kinderpsychiater zu schicken, damit sie lernt mit dieser Furcht umzugehen. Ihr Großvater Henry wird damit beauftragt, einen Spezialisten zu suchen und seine Enkelin jede Woche dorthin zu begleiten. Henry hat jedoch eine andere Idee: Er möchte jeden Mittwoch gemeinsam mit Mona ein Pariser Museum besuchen und ein Gemälde, ein Foto oder eine Skulptur eingehend betrachten. Denn sollte Mona tatsächlich irgendwann erblinden, „könnte sie so wenigstens auf einen Vorrat an visuellen Schätzen in den Tiefen ihres Geistes zurückgreifen“. Von diesen Ausflügen in die Kunstgeschichte erfahren Monas Eltern nichts.

Die Geschichte erstreckt sich über ein Jahr – 52 Wochen, 52 Kunstwerke – von Botticelli, über Degas bis hin zu O’Keeffe und Kahlo. Obwohl Schlesser nur Objekte bespricht, die in Paris zu sehen sind, handelt es sich um eine große Bandbreite an Künstler*innen. Nach einer detaillierten Beschreibung des jeweiligen Werkes erfolgt ein angeregtes Gespräch zwischen Großvater und Enkelin, bis zum Schluss eines jeden Kapitels die „Lektion des Tages“ bestimmt wird. Im Zentrum des Buches steht die Vermittlung kunstgeschichtlichen Wissens, die Romanhandlung scheint eher Beiwerk zu sein. So bleiben die meisten Figuren eindimensional und wirken mitunter klischeehaft: Monas Vater steht kurz vor dem Bankrott und greift immer öfter zur Flasche, ihre Mutter reibt sich auf zwischen Ehe, Job, Ehrenämtern und Mutterschaft. Beide lieben Mona innig, scheinen sich aber kein bisschen für ihre Sitzungen beim Kinderpsychiater zu interessieren. Die ganze Geschichte wirkt recht konstruiert und – zumindest aus therapeutischer Sicht – fragwürdig. Schließlich suggeriert das Buch, Kunstbetrachtung könne professionelle therapeutische Hilfe ersetzen.

„Halte den Taumel fest“

Thomas Schlesser gelingt es gut, ältere, abstrakte, sperrige Werke lebendig werden zu lassen, sie einzuordnen und ihren Wert herauszuheben. Vor allem am Anfang des Romans hätte ich mir jedoch hin und wieder eine kritischere Besprechung gewünscht. Etwa beim ländlichen Konzert von Tizian: Hier fragt sich Mona, was denn die zwei bekleideten Männer mit den nackten Frauen machen und Henry antwortet darauf, „dass die nackte Flötenspielerin und die Frau am Brunnen der Fantasie der beiden Männer entspringen und ihnen nicht wirklich Gesellschaft leisten […], sie [sind] Allegorien der Schöpfung und der poetischen Träumerei“. Das Motiv der nackten Frau in der Natur hätte hier Anlass geboten, über den männlichen Blick und die Rolle weiblicher Akte in der Kunst zu sprechen. Im späteren Verlauf geht Schlesser, beispielsweise mit Marie-Guillemine Benoist und Frida Kahlo, jedoch auch auf Themen wie Rassentrennung und Frauenrechte ein. Insgesamt handelt es sich um ein Werk, das die Schönheit der Kunst preist.

Monas Augen ist kein Kinderbuch (auch wenn die Protagonistin noch zur Grundschule geht), denn die Kunstbesprechungen gehen durchaus in die Tiefe und sind durchzogen von Erwachsenenwörtern wie ‚mondän‘ oder ‚changieren‘. Monas Augen ist keine wissenschaftliche Abhandlung, denn parallel zur Geschichte der Kunst entwickelt sich auch die Beziehung zwischen Großvater und Enkelin weiter und es werden Geheimnisse aus Monas Kindheit enthüllt, die die Handlung vorantreiben. Monas Augen ist ein Buch für Menschen, die Kunst lieben, die sich für den Einfluss der Kunst in der jüngeren Geschichte interessieren und gerne mehr über berühmte Künstler*innen erfahren möchten. Es stellt das Visuelle ins Zentrum des menschlichen Seins und hilft den Lesenden, mit anderen Augen durch die (Kunst-)Welt zu gehen.

von Hannah Conrady

Thomas Schlesser
Monas Augen – Eine Reise zu den schönsten Kunstwerken unserer Zeit
Aus dem Französischen von Nicola Denis
Piper 2024
496 Seiten
26,00 Euro
ISBN 978-3-492-07296-0

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