„How can a man, who sees and feels, be other than sad?”
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CW: Drogenkonsum, Gewalt
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Luca Guadagnino, wohl am besten bekannt durch seine Verfilmung von André Acimans Roman Call Me By Your Name, knüpft mit der Verfilmung von William S. Burroughs‘ Roman Queer weiter an sein Erzählen schwuler tragischer Liebesgeschichten auf der Leinwand an. Nach einer Premiere auf den 81. Internationalen Filmfestspielen von Venedig und dem US-amerikanischen Filmstart am 13. Dezember 2024, folgte der Kinostart in Deutschland am 2. Januar 2025. Dank des selektiven Programms des Lichtspiels ist Queer nun auch in Bamberg sehen.
Als Kontext: Burroughs‘ Roman wurde 1952 geschrieben, aber erst 1985 veröffentlicht.
„Die Schwierigkeit ist jemand anderen davon zu überzeugen, dass er ein Teil von dir ist.“
Daniel Craig schlendert als US-amerikanischer Expat William Lee im beigen Leinenanzug durch das Mexiko der 1950er Jahre – stets mit angetrunkener Schnute und Zigarette im Mundwinkel, denn „¡más, más!“, ein Tequila-Shot jagt den anderen – stets auf der Suche nach schnellem Sex mit Männern. Mit Freude ist die Community an schwulen Freunden und Bekannten, die er in dieser Umgebung trotzdem um sich weiß zu sehen, auch wenn sie nicht von internalisierter Homophobie und fem shaming befreit sind. William Lee als Mann um die 50 verliert im Angesicht des jungen Studenten Eugene Allerton, gespielt von Drew Starkey, seine Souveränität, mit der er sonst die Streifzüge durch seine Stammbars bestreitet. Und hier beginnt a tale as old as time. Der ältere Mann begehrt den deutlich jüngeren, vermeintlich heterosexuellen Mann, gerade weil der Reiz in der Unerreichbarkeit durch den Altersunterschied und der Sexualität liegt. Die aufdringliche, wenn auch nicht gewaltvoll übergriffige Art, mit der William versucht Eugenes Aufmerksamkeit und Zuneigung zu erreichen, wird mit wenigen Szenen der unweigerlichen Ablehnung so eindringlich transportiert, dass man von Mitleid, Unwohlsein und Scham für einen Mann, der sich dabei fast schon lächerlich macht, regelrecht eingenommen wird. Die beiden kommen sich dennoch eines Nachts näher und Eugene lässt Nähe zu, nur um sich danach wieder zu entziehen. Ein Hin- und Her beginnt, in dem William um den jungen Studenten buhlt und ihn schließlich von dem Arrangement ihn auf einer Reise in den Regenwald von Ecuador zu begleiten überzeugt – geködert durch die Übernahme der Kosten, jedoch zum Preis davon, Lee zwei Mal pro Woche Sex zu gewähren.
„Die Tür ist schon offen, du kannst sie nicht mehr schließen. Du kannst nur noch wegsehen.“
Neben dem Klammern an eine Illusion der Zweisamkeit, ist das zweite Sujet der Erzählung Lees Obsession mit einer halluzinogenen Pflanze, von der er sich erhofft diese im Dschungel zu finden. Im Laufe des Films wird klar, dass Lee nicht nur bis zum Exzess raucht und trinkt, sondern auch suchtkrank nach Heroin ist. Die Suche nach Ayahuasca verdeutlicht das Gefangensein in den Klauen von harten Drogen durch die Getriebenheit mit der Lee trotz der Widrigkeiten des Entzugs, da er auf der Reise seinen Fix nicht mehr bekommt, unbeirrt alle verbliebenen Kräfte mobilisiert, um die angebliche Wunderpflanze zu finden. Als Höhepunkt des Films fungiert dann der Drogentrip, den Lee und Eugene mit Ayahuasca haben – nur in dessen schützenden Rahmen Zärtlichkeit und Innigkeit für sie möglich ist. Mithilfe von CGI und ungezähmter Kameraführung (Sayombhu Mukdeeprom) wird dieses Bedeutungsklimax ausgeschlachtet. Die Dschungelsequenz fällt jedoch aus der Ästhetik des vorangehenden Erzählstrangs der versuchten Annäherung Lees an Eugene in den Bars von Mexiko deutlich heraus. Mit zu vielen Stereotypen und Reaktionen, die mehr an eine Action-Comedy erinnern, tanzt der zweite Teil von Queer aus der Reihe der übrigen Form. Zum Ende wird der Ton wieder melancholischer, die Halluzinationen mit CGI bleiben zwar bestehen, aber ordnen sich als symbolträchtige Traumsequenzen, die das Verlangen und die Verletzlichkeit Lees spiegeln, besser in die zu Beginn des Films gesetzte Stimmung ein.
Blaue Schrift trifft auf vergilbtes goldenes Licht und lässt Daniel Craig strahlen
Queer irritiert durch seine Inkonsequenz in der Form, aber bildet Getriebenheit durch Drogen und Begehren eindringlich ab. Daniel Craig vor der Kulisse der mexikanischen 1950er überzeugt dennoch schon allein ästhetisch. Der Soundtrack hält mit Nirvanas All Apologies oder einem dröhnenden Come As You Are einige Schätze bereit. Der markante Blauton der Schrift im Vorspann und auf den Filmplakaten im Kontrast zum Hintergrund des vergilbten Goldorange, dass die melancholische Stimmung einfängt, hat Widererkennungswert und zeugt erneut von Guadagninos Gespür in filmischen Erzählungen auch das Unschöne schmerzlich-schön abzubilden.
Weitere Vorstellungen finden im Lichtspiel am 01. und 02.02.2025 jeweils um 18 Uhr statt. Lediglich die Vorstellung am 12.02.2025 ist in Engl. OmU., die restlichen immer in der deutschen Fassung.
von Michaela Minder
Luca Guadagnino
Queer
Deutsche Fassung
USA/I 2024
Ab 12 Jahren
135 Minuten
FSK 16
