“I try to be a good girl / But I wanna feel alive”
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Nicole Kidman als ausbrechende Karriere-, Ehefrau und Mutter in Business Casual im Szeneclub am Raven zu Crush von Yellow Claw, Natte Visstick und RHYME zirkuliert schon als Meme auf Instagram und TikTok und setzt damit den Ton für die zeitgeistige Rezeption des Erotik-Thrillers Babygirl unter der Regie von Halina Reijn.
Die niederländische Regisseurin erzählt in Babygirl von der Affäre Romy Millers, gespielt von Nicole Kidman, mit Samuel (Harris Dickinson), einem deutlich jüngeren Praktikanten in ihrem Unternehmen. Romy ist 57 Jahre alt, seit 19 Jahren mit ihrem Mann (Antonio Banderas), einem renommierten Theaterregisseur, zusammen, hat zwei Töchter im Teenageralter (Sophie Wilde, Esther McGregor) und führt jüngst als Gründerin und CEO erfolgreich ihr Unternehmen an die Börse. Samuel, ein 28-jähriger Praktikant, tritt von der ersten Sekunde an mit einem Selbstbewusstsein ihr gegenüber auf, das an Dreistigkeit grenzt. Hier ist fraglich, wie realistisch so ein Verhalten ist. Samuel flirtet, indem er aufmüpfig ist und Romy fühlt sich davon eingenommen. Der knight in shining armour hat zwar statt eines Schwerts einen Keks, mit dem er keinen Drachen, sondern einen freilaufenden Hund abwehrt, aber Romy ist angetan. Angetan genug, um sich auf eine D/s-Dynamik einzulassen und mit dem 29 Jahre jüngeren Praktikanten ihre sexuellen Fantasien auszuleben und endlich ohne die eigene Hand zum Orgasmus zu kommen. Kidman transportiert den Kampf zwischen Begehren und der Unsicherheit sich hinzugeben so gekonnt, dass Gestik und Mimik dies nuanciert abbilden. Die Unsicherheit gilt teilweise ebenso für Samuel. Auch wenn er in der Dynamik die dominante Rolle übernimmt, ist er kein geborener bzw. erfahrener Dom. Durch diesen twist entschärft Reijn das klischeehafte Bild einer buisness woman, die ihre Pseudo-Emanzipation in einem Verständnis von BDSM sieht, das Männern einen Freifahrtschein ausstellt, mit Frauen zu tun, was sie wollen – und den Frauen gefällt es auch noch.
“I got a crush / Can‘t get enough / You told me hush / Oh what a rush”
Es ist an mehreren gesetzten Akzenten zu erkennen, dass Reijn versucht sich von einer solch stumpfen Dramaturgie abzugrenzen. Vulnerabilität und After Care werden zentral dargestellt; der male gaze wird beispielsweise in den Sexszenen aufgebrochen und auch das klischeehafte gekünstelte piepsige Stöhnen weicht einem tiefen, animalischen Stöhnen – auch wenn das eine zusätzliche Anspielung auf das rudimentäre Puppy bzw. Kitten Play bedeuten kann. In den genannten Fällen gelingen die Versuche der Abgrenzung, in anderen bleiben sie leider erfolglos.
Reijns Fragen danach, wer nun tatsächlich gegenüber wem in einem Machtgefälle steht, tragen Romy und Samuel miteinander aus. Aber auch das Publikum ist beteiligt, da man beim Zuschauen stets die Schablone auflegt, was wäre, wenn es andersrum wäre, was wäre, wenn der Mann der ältere Chef wäre? Babygirl darauf zu reduzieren, dass der Film als solcher eben nur funktioniert, gerade weil Romy die ältere Chefin ist, wäre zu einfach gedacht, auch wenn darin ein relevanter Kritikpunkt liegt. Speziell zwei Szenen am Schluss zeigen jedoch, welche weiteren Reflexionsebenen von Macht im Patriarchat Reijn bespielt.
Weitere Vorstellungen in der Engl. OmU finden am 12.02.2025 um 20:45 Uhr und am 16.02.2025 um 20:50 Uhr statt. Die deutsche Fassung läuft täglich vom 06.02.2025–10.02.2025 jeweils um 20:45 Uhr sowie vom 13.02.2025–15.02.2025 und 17.02.2025–19.02.2025 jeweils um 20:50 Uhr. Alle Vorstellungen finden im Odeon statt.
von Michaela Minder

Halina Reijn
Babygirl
USA 2024
114 Minuten
Ab 16 Jahren
(Bild im Beitragsbild: Constantin Film)