„Deutschland hat Rußland den Krieg erklärt – Nachmittag Schwimmschule“
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Mit diesem Tagebucheintrag Kafkas vom 2. August 1914 beginnt John von Düffel seine Inszenierung von „Kafkas Erzählungen“ und damit auch seine erste Spielzeit als Intendant am ETA Hoffmann Theater in Bamberg. Am 19. September 2025 feierte das Stück unter der Regie von Jasper Brandis Premiere und bringt die Erzählungen des österreichisch-tschechischen Autors auf die Bühne.
Collagenhaft werden die einzelnen Geschichten miteinander verwoben, darunter bekannte Texte wie Das Urteil, Brief an den Vater oder Die Verwandlung, aber auch weniger bekannte Erzählungen wie Josefine, die Sängerin und Der große Schwimmer. Als Setting dieses Sammelsuriums an Themen und Handlungen dient in der Bamberger Inszenierung ein Schwimmbad. Das Bühnenbild wird dabei minimalistisch gehalten, hat jedoch eine klare Ästhetik und verwandelt sich im Laufe der Vorstellung nur durch auftauchende und wiederkehrende Requisiten. Die Simplizität der Kulisse lässt dabei Raum, um die verschiedenen Ebenen der Handlung sowie die darstellerischen Leistungen in den Vordergrund zu stellen.
Kafka, wie er sein sollte
Mithilfe überzogener Kostüme, tanzender Umkleidekabinen und einer riesigen Nase wird „Kafkas Erzählungen“ bizarr, absurd und unheimlich – also durch und durch kafkaesk. Dabei gelingt immer wieder der nahtlose Übergang zwischen den einzelnen Geschichten, die sich organisch zusammenfügen und in ihrer Handlung simultan voranschreiten. Auffällig ist dabei der feinsinnige Humor, der augenzwinkernd in das Stück eingearbeitet ist und als Gegengewicht zu den schaurigen Momenten das Stück ausbalanciert.
Die Josefine – als Sängerin, die nicht singen kann, ein Paradox in sich – schwebt als Puppe über die Bühne und wirkt, von Barbara Wurster und Laura Röseler geführt, nahezu menschlich. Bereits in der Einführung kündigte John von Düffel an: Das Theater braucht mehr Puppen. Was im ersten Moment irritieren mag, wird in „Kafkas Erzählungen“ bereits eindrucksvoll umgesetzt. Es bleibt spannend, wie sich dieser Vorsatz in künftigen Inszenierungen wiederfinden lassen wird.
Die intensiven Pausengespräche sowie der langanhaltende Schlussapplaus zeugen von der Wirkung, die das Stück auf die Besucher*innen hat. „Kafkas Erzählungen“ zeigt: es weht ein frischer Wind im ETA Hoffmann Theater und es macht neugierig, was John von Düffel noch geplant hat.
Die nächsten Aufführungen finden am 26.09., 27.09., 08.10., 10.10. und 11.10. statt.
von Judith Albert




(Fotos: Marian Lenhard)