Johanna Schwanberg – Sommer ohne Plan
Johanna Schwanberg – Sommer ohne Plan

Johanna Schwanberg – Sommer ohne Plan

„Es ist ABSOLUTER Humbug, von Anfang bis Ende.“

CW: Alkoholmissbrauch, Burnout, Depression, Homophobie, Tod

Ein Haus in einem kleinen Dorf mit dem verführerischen Namen „Bäcken“ kaufen, um den Burnout zu entfliehen – genau das ist Cassis Plan. Aber der geht nicht auf. Als sie ihren stressigen Job als Restaurantmanagerin aufgibt und mit ihrem Hund Maine in eine kleine Waldhütte in der schwedischen Einöde zieht, geht das Gerücht um, Cassi sei ein Selbsthilfeguru. Statt das Missverständnis aufzuklären, nimmt die Protagonistin des Debütromans Sommer ohne Plan von Johann Swanberg, übersetzt von Nina Hoyer, diese neue Rolle an. Sie bietet den Dorfbewohner*innen Yogastunden, Lebensberatungen und allerlei selbstausgedachte spirituelle Behandlungen zu fragwürdigen Preisen.

„»Ich nehme fünfhundert Kronen pro Sitzung oder zweitausend für fünf«. Das ist preiswerter als ein Haarschnitt, aber teurer als Wimpernfärben. Das klingt angemessen.“

Durch ihre Angebote lernt Cassi nach und nach die Eigenarten und Geheimnisse der  Dorfbewohner*innen kennen, ohne viel über sich selbst preisgeben zu müssen. Auch die Renovierungsarbeiten am Haus bieten zahlreiche Möglichkeiten, um sich von ihren mentalen Problemen abzulenken und ihre Vergangenheit zu verdrängen.

Der Roman gliedert sich in vier Teile – benannt nach den Monaten, in denen der jeweilige Abschnitt spielt (Mai, Juni, Juli, August) und umfasst 61 kurze Kapitel. Diese sorgen dafür, dass es abwechslungsreich bleibt und man besonders in der ersten Hälfte nur so durch die Seiten fliegt.

Dank der Szenen über Cassis Behandlungen werden die Nebenfiguren sehr gut greifbar und man bekommt nach und nach ein immer umfassenderes Bild vom Leben im Dorf. Jede Figur hat ihre Eigenarten und Herausforderungen, dadurch wirken sie alle sehr echt. Swanberg ist es sehr gut gelungen, Vielfalt abzubilden, ohne, dass diese zu kuratiert oder übertrieben wirkt. Besonders liebenswert geschrieben ist Cassis Nachbar Pavel, der ihr bei der Renovierung hilft und zu dem sie einige innige Freundschaft aufbaut. Während Cassis Entwicklung eher blass bleibt, verändert sich Pavel im Laufe des Romans deutlich, weil er sich seiner Vergangenheit stellt, die sehr klug zwischen den Zeilen erzählt wird.

„Ihr Selbstvertrauen ist erschüttert. Während der Makler Sicherheit in seinem klaren beruflichen Auftrag findet, ist sie jemand, der vor der Obdachlosigkeit steht, der kaum noch einen Job hat. Kaum noch ein Leben.“

Zwar macht Cassi berufliche Fortschritte als Selbsthilfeguru, ignoriert jedoch dauerhaft ihre Vergangenheit. Sie lässt sich von den Dorfbewohner*innen eine neue Identität formen und passt sich jeder Situation sorgfältig an. Was zwar eine interessante Idee ist, führt am Ende dazu, dass Cassi nie wirklich greifbar wird und zu keinem Zeitpunkt echt Sympathie aufgebaut werden kann. Völlig unterrepräsentiert bleiben Darstellungen der gesellschaftlichen Verantwortung, sowie politische Ansätze der systemischen Hilfe, sei es staatlich oder familiär. Alles basiert auf der eigenen Schaffenskraft und dem individuellen Wohlwollen der Dorfbewohner*innen.

„Alles hing vom eigenen Willen ab. Nichts war unmöglich. Jeder war seines eigenen Glückes Schmied. Davon war Cassi vollkommen überzeugt.“

In wenigen Situationen werden Cassis Burnout und die damit verbundenen Gefühle wirklich nachvollziehbar und authentisch dargestellt, oft werden Angst, Scham und Selbstverachtung

nur benannt. Die fragwürdigen Therapiesitzungen hingegen werden anschaulich beschrieben und man erfährt auch, wie es Cassi dabei ergeht. Auf humorvolle Weise werden ihre eigenen Zweifel eingebaut.

„So fängt es an. Was da passiert, ist unerklärlich. Es ist ganz bemerkenswert und gleichzeitig kompletter Blödsinn. Aber Cassi ist erstaunt. Es ist so, als ob die Kraft, die sie zu besitzen vorgibt, wirklich in sie gefahren wäre.“

Trotz der genannten Kritikpunkte und dem recht vorhersehbaren Ende ist Sommer ohne Plan ein gelungener Debütroman, der durch seinen witzigen Ton und seine sommerliche Leichtigkeit überzeugt.

von Jasmin Fuchs

Johanna Swanberg
Sommer ohne Plan
aus dem Schwedischen von Nina HoyerHoffmann und Campe 2025
416 Seiten
25,00 Euro
ISBN ‎ 978-3-455-01928-5

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