Über die Verpflichtung, die Welt zu schützen, in der wir leben
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„Das könnte ein bisschen weh tun“, sagte eine Stimme.
Nadeln in seinem Schädel. Explosionen von Schwarz.
Konnte sein, dass er schrie.“
John Ironmongers Erzählung Das Jahr des Dugong beginnt mit einer Szene, die auch aus einem Psychothriller stammen könnte. Der Protagonist Toby Markham erwacht an einem unbekannten Ort – es scheint sich um eine Art Krankenhaus zu handeln. Er kann sich kaum bewegen und sein ganzer Körper ist von furchtbaren Schmerzen geplagt. Die Menschen um ihn herum tragen eigenartige Namen wie ‚Mauritius Sittich‘ oder ‚Sunda Pangolin‘. Gerade eben war er noch ein erfolgreicher Unternehmer gewesen, hatte einen Ferrari besessen und war in Val-d’Isère Ski gefahren. Nun ist er in einer vollkommen veränderten Welt erwacht. Doch was passiert ist und wie er hierhergelangt ist, daran kann er sich nicht erinnern.
Dann wird er angeklagt.
Die Frage nach der Verantwortung
Aufgrund seines Jetsetter-Lifestyles, seiner Reisen in tropische Länder und der Verantwortung für ein riesiges Unternehmen, wird Toby Markham für das Zugrundegehen der Welt, wie wir sie kennen, und die Ausrottung zahlreicher Tierarten zur Verantwortung gezogen. Er wird vor Gericht gebracht und muss sich gegen die Anklage des Genozids und Terrazids verteidigen.
Ironmonger stellt in seiner Erzählung die eigentlich interessante Frage, wer Verantwortung für die Welt der Zukunft trägt, für die Ausrottung von Tierarten, für die Zerstörung von Ökosystemen und Ressourcen und für die Kriege, die darauffolgen. Allerdings macht er es sich mit der Antwort sehr einfach. Die Schuld wird exemplarisch an ‚dem Reichen‘ abgewälzt, der dreimal pro Woche fliegt und einen überdurchschnittlich hohen CO2-Fußabdruck hat – mit dem sich der oder die durchschnittliche Lesende aber wahrscheinlich nicht identifiziert. Die Gesellschaftskritik, die das Buch wohl eigentlich vermitteln soll, wird somit auf Superreiche mit extravagantem Lebensstil reduziert. Dass auch der ‚Normalbürger‘ etwas ändern könnte oder sollte und wir auch in einem wirtschaftlichen und gesellschaftlichen System leben, das diese Ausbeutung der Natur ermöglicht und begünstigt, wird dabei nicht erwähnt.
Nach Ironmongers Bestsellerroman Der Wal und das Ende der Welt waren die Erwartungen an sein neues Buch hoch. Die Erzählung wird diesen allerdings nicht ganz gerecht. Während sein Bestseller tiefgründige Fragen darüber stellt, was uns als Menschen ausmacht, weist der Autor in seiner neuen Erzählung die Lesenden mit erhobenem Zeigefinger zurecht. Und macht damit zwar darauf aufmerksam, wie drastisch sich die Welt verändern wird, wenn wir so weiterleben wie bisher, verfehlt dabei aber die eigentliche und überdies auch drängende Botschaft.
von Laura Nadolski
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John Ironmonger
Das Jahr des Dugong. Eine Geschichte für unsere Zeit
Aus dem Englischen von Tobias Schnettler
S. Fischer Verlag 2021
137 Seiten
14,00 Euro