Zur bedauernswerten Aussicht
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Anlässlich der 50-jährigen Zelebrierung der Calderón-Spiele, feierte das ETA Hoffmann Theater in Bamberg am 30. Juni 2023 bei Dämmerlicht und vor der wunderschönen Kulisse der alten Hofhaltung die Premiere von „Zur schönen Aussicht“.
Die Komödie, ursprünglich verfasst von Ödön von Horváth und neu inszeniert von Regisseurin Susi Weber, erzählt die Geschichte eines dem Zerfall nahenden Hotels, seines völlig unbrauchbaren Personals und deren letzten Gäste. Da wären der verschuldete Direktor Strasser (Stefan Herrmann), sein barfüßiger Kellner Max (Leon Tölle) und der schnell aufbrausende Chauffeur Karl (Pit Prager), allesamt Männer, die sich nicht gerade durch ihre Selbstlosigkeit oder ihren Fleiß auszeichnen. Ergänzt wird das Trio durch den Vertreter Müller (Marek Egert), der einer offenen Alkoholrechnung hinterherjagt und dem adeligen Geschwisterduo von Stetten – die einzige Sponsorin des Hotels Ada (Iris Hochberger) und ihr ruinierter Bruder Emanuel (Stephan Ullrich). Als dann auch noch Strassers Sommeraffäre Christine (Jeanne Le Moign) mit frohen Botschaften in das Hotel platzt, ist das Chaos-Ensemble komplett. Ein Wirrwarr komischster Auseinandersetzungen bricht aus und enthüllt dabei die schlechtesten Seiten des Menschen.
Unaufgeräumte Vergangenheit
Ganz besonders überzeugen konnte an der Komödie das Bühnenbild, welches, erinnernd an einen Wes Anderson Film, mit viel Liebe fürs Detail errichtet wurde. „Zur schönen Aussicht“ mag das Hotel zwar heißen, doch wird auf einem Blick klar, dass das Gemäuer schon bessere Zeiten und bessere Aussichten gesehen hat. Von den defekten Neon-Buchstaben, die den Namen des Hotels nur noch teilweise beleuchten, den Plakaten abgesagter Unterhaltungsprogramme, dem altmodischen Drehscheibentelefon, von dem schon lange keine Anrufe mehr entgegengenommen werden können, bis hin zu dem leeren Hotel-Restaurant, dessen Speisekarte und Mobiliar nur noch als Dekoration dienen – was sich den Zuschauenden offenbart, ist die unaufgeräumte Vergangenheit eines Ortes, dessen letzten Stunden gezählt sind.
Doch nicht nur die Kulisse beeindruckt mit ihrer Authentizität. Auch die schrullig-grotesken Charaktere dieser Komödie bleiben einem in Erinnerung – gerade durch ihre Fehler und schlechten Eigenschaften. Vor allem die Rolle der Ada, Freifrau von Stetten, fabelhaft gespielt von Iris Hochberger, lässt hinter ihrer Sucht nach Liebschaften und ihrer Angst davor, nicht mehr begehrt zu werden, einen komplexen Charakter durchscheinen und spiegelt damit fast schon die Vergänglichkeit des alten Hotels wider.
„Zur schönen Aussicht“ ist eine doch eher düstere Komödie, die gewollt frustriert und dabei zeigt, was unerfüllte Lebensträume aus einem machen und wie egoistisch der Mensch doch sein kann.
Die nächsten Vorstellungen von „Zur schönen Aussicht“ finden am 02.07., 04.07., 05.07., 12.07., 13.07., 14.07., 15.07., 16.07., 18.07., 19.07., 20.07., 21.07. und 22.07. in der alten Hofhaltung statt.
von Amira Hajredini