Naturschutz aus der Konserve
—
Kaikisen ist eine konservatorische Geschichte, wie sie niemanden überraschen dürfte, vor allem, wenn man mit japanischen Umweltschutzparabeln einigermaßen vertraut ist. Die Familie von Yosuke bewacht seit Generationen einen Schrein, in dem sie auf das Ei einer Meerjungfrau aufpasst, die dem Küstendorf Amide Reichtum und Schutz bringt. Aber Yosukes Vater lässt es zu, dass der Kapitalismus in Person des Investors Ozaki in das verschlafene Städtchen Einzug findet.
Leider hat man das so nicht nur schon tausend Mal woanders gelesen, die Geschichte erschafft mit der Prämisse auch wirklich so gar nichts Neues. Ein kleiner Kulturschock für mich, denn wer Satoshi Kon kennt, weiß, welcher Ruf diesem Mann vorauseilt.
Zu früh erloschene Flamme
Perfect Blue, Millenium Actress, Tokyo Godfathers, Paprika – die Filmografie von Satoshi Kon kann sich sehen lassen. Jedes einzelne seiner Projekte hat Meisterwerkstatus für mich und schafft es, im jeweiligen Genre entweder etwas völlig Neues, Einzigartiges oder Revolutionäres zu sein. Vielleicht hatte ich deshalb zu hohe Erwartungen an seine früheren Arbeiten, vor allem, nachdem mich Tomie, das erste Werk von Mangaka Junji Ito, so sehr überzeugen konnte. Aber während sich bei Tomie die Stärken von Ito schon abzeichneten, fühlt sich Kaikisen überhaupt nicht wie eine Geschichte von Satoshi Kon an. Die Charaktere sind extrem eindimensional, der Umgang mit dem Umweltschutzthema ist plump und Kon gelingt es an einigen Stellen nicht, den Flow der Handlung aufrechtzuerhalten. Das ist ein wenig schwer zu erklären, aber bei einem guten Manga liest man von Panel zu Panel und verliert nie den Überblick darüber, wer gerade wo ist und was macht. Bei Kaikisen passiert das ständig. Mir war bisher nicht mal klar, dass das ein Problem sein kann. Unglaublich frustrierend.
Ich liebe Satoshi Kons Filme, deshalb hatte ich mich auch eigentlich gefreut, herauszufinden, was er vor seiner Filmkarriere geschrieben hatte. Mit seinem viel zu frühen Tod 2010 wurden wir tragischerweise weiterer Filme beraubt, also bleibt für Neues nur der Blick in die Vergangenheit. Aus der Perspektive bin ich auch dankbar, zumindest irgendetwas von Kon gesehen zu haben, das ich noch nicht kannte. Empfehlen kann ich Kaikisen leider trotzdem nicht. Für Fans von Kon wohl gerade noch so okay, mehr aber auch nicht.
von Felix Ritzmann
Satoshi Kon
Kaikisen. Zurück ins Meer
Aus dem Japanischen von Jens Ossa
Carlsen Manga 2020
226 Seite
16,00 Euro