Der Saum ruft
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Spoilerwarnung: Da es sich hier um einen zweiten Band handelt, sind mögliche Spoiler im folgenden Text zu finden.
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Matilda und Quinn werden auch in Vergissmeinnicht – Was bisher verloren war, dem zweiten Band der neuen Trilogie von Kerstin Gier, in Angelegenheiten des Saums verwickelt. Arkadier, Feen, Wal-Zeppeline, Zwergdrachen und noch viele weitere Figuren und Kreaturen erwarten die Lesenden beim Erkunden des Saums, in den Verstrickungen zwischen Erde und Parallelwelt, wo Träume wahr werden können.
„Na klar, es musste natürlich gleich der Weltfrieden sein. Eine Nummer kleiner ging bei diesen Saumleuten nie.“
Das Buch startet direkt mit der Endsituation sowie zwei Charakteren aus dem ersten Teil und geht dann in die Erzählerperspektiven der Protagonisten über. Ist Quinn der Auserwählte, nach dem bereits seit Jahrhunderten gesucht wird? Auf den die Prophezeiung hinweist? Diese ist leider in verschiedenen (vagen) Versionen vorhanden, in welcher der Auserwählte das Sternentor öffnen soll. Über eine besondere Fähigkeit, die ihn von den weiteren Saum- und Erdwesen unterscheidet, verfügt Quinn auf jeden Fall. Das ist auch die Begabung, die ihm Matilda wieder näherbringt, da sie ihn versteht und seine Erinnerungen nicht anzweifelt. Sie ist in diesem Teil die hilfreichste Person, nicht nur für Quinn, sondern auch für die Lesenden, da sie Fragen stellt und Hilfe in Form eines niedlich-gefährlichen Dämons erhält.
„Was? Ich verstand ehrlich gesagt nur noch Bahnhof.“
Die Leser*innen erfahren in diesem Band zunehmend mehr über Quinns Vater, sein Erbe, die Vergangenheit des Saums und über eine Geheimgesellschaft, die durch ein unbekanntes Portal in den Saum tritt. Quinn ist somit nicht der Einzige, der durch Portale in die Parallelwelt gelangt und seine Superkräfte austestet. Auch Matilda findet Gefallen an dem Übertritt in eine Welt voller Fantasie und Imagination. Quinn ist von dieser gefährlichen Idee allerdings nicht allzu begeistert, doch Matilda möchte für sich selbst entscheiden und gibt ihm Kontra. Die Beziehung, Gedanken und Dialoge der beiden Protagonisten lockern die ein oder andere Situation auf, wobei beide noch unreife Charaktereigenschaften besitzen, die in einem Jugendbuch nicht fehl am Platz sind.
Die beste Freundschaft zwischen Matilda und Julie gerät unter den immer größer werdenden Geheimnissen in die Bredouille und zerrt an den Schuldgefühlen der Protagonistin, die in diesem Band trotz ihrer Angst immer wieder neuen Mut findet und in brenzligen Situationen ihre Cleverness beweist. Zudem erhalten die zahlreichen Nebencharaktere in diesem zweiten Band mehr Tiefe, mitunter allerdings nur zu einem kleinen Teil, wobei Ecken und Kanten auf beiden Seiten entdeckt werden.
Vergissmeinnicht – Was bisher verloren war ist eine schöne Fortsetzung mit Verweisen auf bisherige Bücher Kerstin Giers und anderer Werke, die das Leseerlebnis versüßen. Teils langatmige Passagen werden durch Charme und witzige Textstellen in darauffolgenden Kapiteln wieder wettgemacht, wobei doch noch sehr viele Fragen und bevorstehende Konfrontationen offenbleiben, die sich – hoffentlich bald – im finalen dritten Teil auflösen werden.
von Paula Heidenfelder
Kerstin Gier
Vergissmeinnicht – Was bisher verloren war (Band 2)
Fischer 2023
528 Seiten
22,00 Euro