Kein Geschäft mit Gewalt und Gier!
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Das Theater im Gärtnerviertel feiert 10-jähriges Jubiläum – und startet mit dem Musical „Der kleine Horrorladen“ in seine zehnte Spielzeit. Die Premiere fand am 05. Oktober 2023 in der Malerwerkstatt der Handwerkskammer für Oberfranken in Bamberg statt.
„Vorsicht hier kommt Audrey Zwo, Vorsicht!“
Was der Cast des „kleinen Horrorladens“ singt, ist tatsächlich so gemeint: Audrey Zwo, eine außergewöhnliche Pflanze, wird durch ihren stetigen Blutdurst zur ernstzunehmenden Gefahr für die ganze Menschheit…
Doch zunächst taucht das Publikum in die Welt des zurückhaltenden Seymour ein, der in einem unscheinbaren Blumenladen in der „Skid Row“ arbeitet. Es handelt sich um ein heruntergekommenes Armenviertel, in dem Leid, Elend und Zukunftsangst an der Tagesordnung sind. Seymours Chef Mr. Mushnik ist ein jähzorniger Mann, der seine Angestellten ständig herumkommandiert. Neben Seymour arbeitet auch Audrey, eine liebenswerte, aber unkonzentrierte junge Frau im Laden. Das Geschäft geht sehr schlecht – bis Seymour seinen Kolleg*innen eine Wunderpflanze zeigt, die Mushniks Blumenladen plötzlich berühmt werden lässt und durch die endlich wieder Aufträge eingehen. Und auch bei Audrey bekommt Seymour endlich eine Chance, was er auf den Erfolg mit seiner Pflanze Audrey Zwo zurückführt.
Das einzige Problem an der Sache ist, dass sich die Pflanze von menschlichem Blut ernährt. Sie wächst rasant und ist schon bald größer als der durch seinen Blutverlust immer schwächer werdende Seymour. Kurz nachdem dieser Audreys gewalttätigen Freund Orin kennengelernt hat, bekommt die Pflanze zum ersten Mal einen Menschen zu fressen und die Dinge nehmen ihren Lauf…
Nina Lorenz inszeniert ein rasantes und packendes Musical, das die Zuschauer*innen gespannt mitfiebern lässt, was die fleischfressende Audrey Zwo als Nächstes anrichten wird. Basierend auf dem Kult-Musical mit Howard Ashmans Texten und Alan Menkens Musik entführt das TiG in der Malerwerkstatt der Handelskammer für Oberfranken in eine verspielt-schaurige Welt. Das ganz in Rot gehaltene Bühnenbild, in das sich auch die ausschließlich roten Kleidungsstücke der Schauspielenden einfügen, greift das Thema des Bluts auf und lässt die weißen, eingefallenen Gesichter hervorstechen. Einzig die Pflanze, deren Charakter von Laura Mann dargestellt wird, bildet in ihrem grellen Grün einen Kontrast. Die Farbwahl unterstreicht, dass die Pflanze die eigentliche Hauptrolle im Stück spielt – schließlich behält sie die Kontrolle über die Menschen um sie herum und ist Grund für einige fragwürdige Entscheidungen…
Laura Mann beeindruckt mit ihrer Stimmgewalt und ihrer großartigen schauspielerischen Leistung, durch die sie die Pflanze zum Leben erweckt. Aber auch Patrick L. Schmitz als Seymour Krelbourn und Aline Joers als Audrey performen grandios und lassen die Magie zwischen ihren Charakteren greifbar werden – vor allem durch die bewegenden Duette. Und wenn Benjamin Bochmann auftritt, möchte man ihn am liebsten von der Bühne zerren, so gut verkörpert er den überheblichen, egozentrischen Zahnarzt Orin.
Die musikalische Gestaltung sowie die Liedtexte und Gesangstimmen harmonieren und schenken den Zuschauer*innen ein tolles Klangerlebnis. Es lädt zum Genießen ein, ohne dabei das Interesse an der Geschichte zu verlieren, erzählen die Lieder doch häufig die Handlung weiter. Dabei spielt auch der vierköpfige Chor eine tragende Rolle, der neben der tollen gesanglichen Leistung auch mit sehr synchron abgestimmten Bewegungen und kleinen Choreographien aufwartet. Begleitet werden die Gesangsparts von der glänzenden Horrorladen-Liveband unter der Leitung von Konrad Buschhüter und Sebastian Strempel.
„Kein Geschäft mit Gewalt und Gier – Sonst wird alles verschlungen hier“
Das Musical erzählt die Geschichte eines Wesens, das durch Gier und Egoismus immer mehr wächst und letzten Endes die völlige Kontrolle über ihr Umfeld übernimmt, welche sich sogar auf die ganze Welt ausbreitet. Es steht die Frage im Raum, wie man sich am besten gegen die Sogwirkung des materiellen Reichtums wehren kann – und wie schnell ein einziges System die Macht übernehmen kann. Die Antwort darauf lautet: viel zu schnell! Das Stück zieht somit auch eine Verbindung zur Demokratie, die gegen die gefährdende Kraft einzelner Gruppierungen ankommen muss.
Das TiG bietet mit dem Musical „Der kleine Horrorladen“ einen langen, unterhaltsamen Abend, der alle Sinne anspricht – und hinter der heiteren Fassade auch einen Appell an sein Publikum versteckt, den ein letztes Zitat hervorragend zusammenfasst: „Wir warnen: Lasst euch nicht umgarnen von den bösen Mächten, die sich tarnen!“
Weitere Aufführungstermine sind der 6., 8., 11., 12., 17., 18., 19., 24., 25., 26., 27. Oktober und der 3., 4., 10., 11. November 2023.
von Theresia Seisenberger