Stephan Weiner – Ellbogenland 
Stephan Weiner – Ellbogenland 

Stephan Weiner – Ellbogenland 

Ein Geisteswissenschaftler auf Abwegen

„Was machst du nach deinem Studium, wenn du fertig bist?“ – Eine Frage, die viele Geisteswissenschaftler*innen gestellt bekommen und die Antwort ist für alle Beteiligten oft unbefriedigend, weil so unpräzise. Das Feld an Möglichkeiten ist breit und doch irgendwie winzig. Deswegen werden meist Antworten wie „Irgendwas mit Büchern.“ oder „Irgendwas mit Medien.“ gegeben. Der namenlose Protagonist in Stephan Weiners Ellbogenland befindet sich in einer ganz ähnlichenSituation. Zu Beginn der Erzählung hat er frisch den Bachelorabschluss in der Tasche und begibt sich auf Jobsuche. In tagebuchartigen Einträgen berichtet er von seiner mühsamen und von Fehlschlägen geprägten Suche nach dem einen kreativen Traumjob, den sich letztlich jede*r Germanist*in wünscht. Dabei wird schnell klar, wie weit die Vorstellungen und Wünsche vom Angebot der Realität entfernt liegen. Absagen und unbezahlte Praktika stehen an der Tagesordnung. 

„Willkommen im Ellbogenland!“

Als Geisteswissenschaftlerin kurz vor dem Abschluss tut dieses Buch stellenweise ziemlich weh, wird man doch sehr an die eigene Lebenswirklichkeit erinnert und an die Schwierigkeiten, die in naher Zukunft bevorstehen. Gleichzeitig lässt Ellbogenland einen aber auch schmunzeln. Denn die Gründe für das vielmalige Scheitern des Protagonisten sind in einer Reihe von Banalitäten und teilweise übertriebenen Verkettungen von Ereignissen zu finden. Diese zeigen vor allem, wie wenig er eigentlich bereit für ein Leben nach dem Studium ist: „Aber was kann ich? Nichts, was diese Leute gut finden. Diese Waffenhändler. Ich kann nur darüber schreiben, wie scheiße ich Waffen finde. – Außer Laserschwerter natürlich.“ Stephan Weiner bindet immer wieder kluggesetzte Anspielungen aus Pop- und Hochkultur ein. Diese sind vor allem für Geisteswissenschaftler*innen erheiternd, machen den Protagonisten allerdings auch zu einem unsympathischen Besserwisser. So richtig erwärmen kann man sich für den kurzangebundenen, sarkastischen Uniabsolventen nicht. 

Ellbogenland erschien bereits 2012, die neue Fassung, die im Oktober 2023 bei container press veröffentlicht wurde, ist ein wenig abgewandelt und gibt den Lesenden einen positiven Hoffnungsschimmer auf ein glückliches Ende in der Kreativbranche. Ein bisschen aus der Zeit gefallen erscheint die Sprache trotzdem – vor allem zu Beginn des Romans – und baut damit leider eine Distanz zwischen Protagonist und Leser*innen auf. Insbesondere bei Lesenden, die nach den 1990ern geboren wurden und für die diese Neuauflage wahrscheinlich gedacht ist. „Nur ich, der ich als Neunzigerjahre-Punk/Grunge-Heini seit ’94 Cobains Tod bejammere und ihn gleichzeitig voll nachvollziehen kann, versteh rein gar nichts.“ 

Nichtsdestotrotz ist Ellbogenland eine kurzweilige und abwechslungsreiche Erzählung, die die Schwierigkeiten der Literatur- und Filmbranche gut auf den Punkt bringt und zeigt, wie wichtig es ist, sich und seinen Wünschen und Zielen treu zu bleiben, auch wenn die Anforderungen der Außenwelt oft ganz andere sind. 

von Lea Griesbach

Stephan Weiner
Ellbogenland
container press 2023
170 Seiten
12,00 Euro
ISBN: 9783948172107

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