„Die Geschichte eines Lebens, das zu viel wollte und daran zerbrach.“
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Arad Dabiri hat 2023 für seinen Roman DRAMA! den österreichischen Buchpreis für Debüt erhalten und wurde 2024 mit dem Autor*innenpreis des Heidelberger Stückepreis für sein erstes Stück DRUCK! ausgezeichnet. Nun erschien sein zweiter Roman GLORIA! im Korbinian Verlag.
„[…] wir alle waren doch nur Getriebene, ständig auf der Flucht, vor: Komplexen!, die wir verarbeiteten mit: Süchten!“
In GLORIA! wird bereits auf der ersten Seite eröffnet, dass es sich um ein fiktionales modernes Großstadtmärchen handelt. Das Märchen beginnt, als Homayoun, der Protagonist und Wiener Schriftsteller Mitte 20, sein Baby, seinen Debütroman in Händen hält und die Suche nach der Gloria, nach Ruhm, Reichtum und Starsein endlich Früchte tragen, die Karriere starten soll. Der Roman wird im Literaturhaus Wien präsentiert, gewinnt den österreichischen Buchpreis und doch lässt die Gloria auf sich warten. Für Homayoun als auch für Yorgos, Ferdinand und Yasmina, seinen engsten Kreis. Alle haben sich den Künsten verschrieben, sind „problembeladen, auf der ständigen Suche nach dem nächsten Kompensationsmittel“, doch interne und externe Hürden erschweren den Weg und den Durchbruch. Als es endlich (für alle) aufwärts geht, die Gloria zum Greifen nah ist, zeigt sich für Homayoun schmerzlich, dass parallel mit dem Aufsteigen auch mehr Fallhöhe zum Abrutschen entsteht.
„Ich: arrogant: […]. Ich bin fame und lasse mich hier vor den Augen aller gehen. Wenigstens wissen die somit, dass ich in der Literatur nicht lüge.“
Dabiri erzählt von der Einsamkeit, Verzweiflung und dem Druck als Autor, der sich einen Namen machen will. Es kann nicht schnell genug gehen, endlich den Hunger nach Anerkennung zu stillen, dennoch halten sich die Selbstzweifel beharrlich. Besonders die Ernüchterung aus Erwartungen, die nicht getroffen werden, der Höhenflug, der bereits in Aussicht steht und sich dann als schleichend entpuppt, nicht richtig abhebt und konstant zu sinken droht, wird eindrücklich transportiert. Die Schattenseiten des Literaturbetriebs werden ebenfalls offenbart. Eine kreative Szene, die sich die Kunst vielleicht auf die Fahne schreibt, aber dennoch in den Fängen von Profit, Image und Drogen sitzt. Darüber hinaus scheut der Autor nicht davor, die Dimension des strukturellen Rassismus, dem Homayoun und seine Freund*innen allgegenwärtig ausgesetzt sind, immer wieder zu benennen.
Das dominierende Sujet des Romans ist der Rausch – chemisch, trügerisch und zerstörerisch –, um klarzukommen. Klarzukommen mit dem Herzschmerz, der Enttäuschung, der Einsamkeit. GLORIA! ist trotzdem mehr als nur Drogen und Sex, als Kompensation und das Trauern um eine vergangene Beziehung. Die Parallelen zwischen Homayoun und dem Autor lassen sich nicht von der Hand weisen, aber eine Diskussion darüber wie viel Autofiktion in GLORIA! steckt, führt nicht zum Ziel. Dieses Spiel des Autors ist bewusst und darf als solches schlicht hingenommen werden. Man möchte sich schließlich nicht einreihen bei pseudo-aufgeweckt-kritischen Kulturjournalist*innen, die versuchen, die Bestätigung einer Interpretation zu provozieren – nicht um des umfänglichen Bildes des Werks bzw. Autors Willen, sondern rein um der Provokation Willen.
„[…] ich wurde, was ich nie sein wollte, aber immer ahnte, dass ich es werden sollte.“
Dabiris Prosa ist in der Form losgelöst. Einschübe; Einrückungen; Leerzeichen innerhalb eines Wortes, um den verlorenen Zugang zur Exfreundin auszudrücken und ihren Mythos in der Namenlosigkeit zu amplifizieren; Formatwechsel und Passagen, die sich wie ein Drehbuch lesen, bieten eine Vielfältigkeit an Sprache dar, die bereichernd für das Leseerlebnis ist und erfolgreich zeigt, dass nicht nur Lyrik der Form neben dem Inhalt Aufmerksamkeit schenken sollte.
Die intensive Verwendung von Deklarationen, die mitten im Satz auf einen Doppelpunkt folgen und größtenteils mit einem Ausrufezeichen versehen sind, unterbrechen den Lesefluss – jedoch nicht auf irritierende, sondern auf unterstreichende, verdeutlichende Weise. Durch diese Ausrufe innerhalb der Sätze wird der Charakter des Getriebenen, der Steigerung, der sich immer enger ziehenden Kreise auf einer zweiten Ebene nahbar gemacht. Der daraus resultierende stakkatoartige Ton gibt den Charakter der Erzählung gelungen wieder.
Arad Dabiris GLORIA! ist durch das konsequente Ende, die eindringliche Darstellung der Dynamik von Komplexen und Versuchen der Kompensation, das Augenzwinkern des Autors mit der Autofiktion und die von der Form losgelöste Sprache zu empfehlen.
von Michaela Minder

Arad Dabiri
GLORIA!
Korbinian 2024
300 Seiten
24,00 Euro
ISBN: 978-3-9824602-6-0