Jake Lamar – Das schwarze Chamäleon
Jake Lamar – Das schwarze Chamäleon

Jake Lamar – Das schwarze Chamäleon

Keine Schwarz-Weiß-Malerei

CW: Apartheid, Blackfacing, Blut, Mord, Nekrophilie, Rassismus, toxische Männlichkeit, Vergewaltigung

In Jake Lamars Kriminalroman Das schwarze Chamäleon bekommt Clay Robinette, gescheiterter Journalist und Professor für Journalismus und Creative Non-Fiction an der Arden University in Ohio, mitten in einer Februarnacht im Jahre 1992 einen panischen, hilfesuchenden Anruf seines Kollegen Reginald T. Brogus. Was er noch nicht ahnt: In wenigen Momenten wird er seine Affäre nackt und tot auf dem Sofa in dessen Büro finden. Und was passiert, wenn eine tote weiße Studentin, die eine Affäre mit einem Schwarzen Professors hatte, im Büro seines ebenfalls Schwarzen Kollegen gefunden wird?

Jagen und gejagt werden

Brogus vermutet hinter diesem Mord einen Versuch, ihn loszuwerden, da er angeblich zu viel über die 1968 im Memphis stattgefundene Ermordung von Martin Luther King weiß. Er taucht als Hauptverdächtiger mit der halbherzigen Hilfe von Robinette ab. Clay Robinette, aus dessen Sicht der Roman geschrieben ist, schlüpft in eine Doppelrolle. Während er versucht, herauszufinden, wer das Mädchen – genannt Seeräuber-Jenny – getötet hat, wird er aufgrund seiner Affäre selbst zum „zweitoffensichtlichsten Verdächtigen“. Und genau diesen versucht die Kommissarin Patsy DeFestina auf dem Campus zu finden…

Nicht nur die Protagonisten sehen sich einer Jagd gegenüber, sondern auch der Übersetzer Robert Brack, der 2001 mit Jake Lamar einen “unsichtbaren Mann” jagen musste. Nachdem er erst nur die französische Version des Krimis gefunden hatte,

„Vielleicht bin ich nicht die erste Person, die Sie danach fragt, aber … Ihre Hautfarbe … Was sind Sie?“ Patsy lächelte dünn und sagte: „Ein Mensch.“

Ein Motiv des Krimis ist die starke und mit Sicherheit bewusst überzeichnete Fokussierung auf die Hautfarbe. Geradezu durchgehend wird klar gemacht, dass Hautfarbe im Denken der Menschen Grenzen zieht und die Sicht auf ein und dieselbe Sache verändern kann. Dem Lesepublikum wird damit unmissverständlich welche Absurdität hinter einem solchen Denken steckt. Schon allein diese wichtige Message macht das Buch absolut empfehlenswert.

Aufgebaut ist der Krimi als Wechsel von Rückblenden und fortlaufender Erzählung. Diese werden sehr geschickt miteinander verwoben. Die Rückblenden gehen auf die Affäre ein und manifestieren, dass Robinette der „zweitoffensichtlichste Verdächtige“ ist. Lamar schafft es auf clevere Weise, Ereignisse und Figuren der Schwarzen Geschichte Amerikas, wie Anita Hill, Clarence Thomas oder die Black Panther Party, darin einzuflechten und eine Verbindung zum Romangeschehen herzustellen. Die fortlaufende Erzählung folgt dem Muster des vom Übersetzer Robert Brack im Nachwort beschriebenen Whodunnit. Im Zuge dessen sind die beteiligten Charaktere insgesamt überaus scharf gezeichnet, auch wenn man am Anfang keinen von ihnen über den Weg traut. Der Erzähler Robinette ist dabei definitiv keine Sympathiefigur und stößt mit seinem vor toxischer Männlichkeit triefendem Verhalten ab. Das passt nicht nur zu dem gesellschaftskritischen Ton des Krimis, sondern soll zusammen mit den problematischen weißen Figuren darauf aufmerksam machen, dass Gut und Böse nicht an Hautfarben festzumachen ist.

Obwohl manch ein Dialog etwas schwierig zu verfolgen ist, spürt man insgesamt, dass der Autor weiß, was er tut und wovon er spricht. Ihm ist ein fantastisch ausgearbeiteter Kriminalroman mit Themen gelungen, die leider noch immer aktuell sind und dringend ein Umdenken erfordern. Man kann daher Robert Brack nur danken, dass er sich 2001 auf die schwierige Suche nach dem Original gemacht hat!

  von Hannah Orth

Jake Lamar
Das schwarze Chamäleon
Aus dem Englischen und mit einem Nachwort von Robert Brack
Edition Nautilus
318 Seiten
22,00 Euro
ISBN: 978-3-96054-374-9

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