Theater im Gärtnerviertel – Mein lieber Schwan
Theater im Gärtnerviertel – Mein lieber Schwan

Theater im Gärtnerviertel – Mein lieber Schwan

Die Komödie des Nibelungen



Anlässlich seines hundertjährigen Jubiläums wurde das TiG vom WSV Neptun Bamberg e.V. eingeladen, ihren stetig wechselnden Spielort auf das Vereinsgelände zu verlegen. Zu Füßen einer Trauerweide direkt am Regnitzufer wurde die musikalische Komödie der 1920/30er Jahre Mein lieber Schwan von Jan Demuth unter der Regie von Heidi Lehnert bei ihrer Premiere am 06.06.25 zum ersten Mal umgesetzt.

Die Chanson-Diva Adele Würmeling (Ursula Gumbsch) und ihr Tenor Herwarth Moksch (Martin Habermeyer) sehen sich völlig unerwartet, aber aus finanziellen Gründen gezwungen, dem Publikum des Musikvereins Walhalla Wippelsdorf e.V. gegenüber. Dieses erwartet den Inbegriff der performativen Unmöglichkeit für Adele: Oper. Wagner. Der Ring des Nibelungen. Ernsthaftigkeit. Und … einen Schwan?

„Flachlandwagnerianer. Die kennen ihren Ring nur vom Hörensagen.“

Genau dies ist nämlich die Bühnenrequisite, die Adele und Herwarth vom Verein zur Verfügung gestellt wird. Herwarth schöpft Hoffnung, denn im Ring der Nibelungen kommt doch gar kein Schwan vor! Kennt sich das Publikum also wirklich mit der Wagnerschen Oper so gut aus, wie Adele bereits in voller Theatralik befürchtet hat? Improvisation statt Resignation ist gefragt…

„Zeit zum Auftritt, Kirsten! Das Publikum wartet nicht gern!“

Einen subtilen Hinweis auf Wagner bietet bereits der erste, hochgradig kreativ umgesetzte Auftritt von Herwarth, Adele und ihren Musikern (Franz Tröger und Hermann Kübler): In einem Tretboot auf der Regnitz nähern sie sich aus der Ferne ihrer Bühne – auf dem Wasser, dem Rhein, beginnt ebenfalls Wagners Rheingold, der erste von vier Teilen des Rings der Nibelungen. Das Stück entwickelt sich dann zu einer Komödie in der Komödie: Die Diva und ihr Partner spielen auf ungeschickte und dadurch skurrile Weise Wagners Oper nach – in den Rollen der berühmten Wagner-Interpretin Kirsten Malfrid Flagstad und des bedeutenden Tenors Helge Rosvænge. Herwarth erzählt die Handlung ungefähr nach, Adele hat keinen blassen Schimmer, worum es geht und beide zusammen beherrschen keine Oper, sondern nur Chanson. Die dadurch entstehende Komik wird natürlich nicht von einem Wagnerschen 100-Personen-Orchester, sondern einem Horn, einer Posaune (auch im Miniaturformat) und einem Akkordeon begleitet. Ursula Gumbschs gekonnte Mimik spiegelt dabei ausdrucksstark den Versuch ihrer Figur wider, die stetige Verunsicherung zu kaschieren, während Martin Habermeyer seine Figur gelungen selbstsicher und zuversichtlich darstellt. Und der Musikverein Walhalla Wippelsdorf e.V.? Den verkörpert kurzerhand das Theaterpublikum selbst! Das geht auch alles eine ganze Zeit lang gut, bis sich die „Bluthunde“ der Bühne nähern, um das Bühnenverbot von Herwarth und Adele durchzusetzen…

„Einem germanischen Helden ist alles erlaubt. Inzest hält die Rasse rein. Führt aber leicht zur Verblödung.“

Das TiG, das für seine ausgefallenen und wechselnden Locations bekannt ist, hat sich – wie so oft – seinen Spielort auch hier wieder für die Inszenierung zu eigen gemacht. Der verfügbare Raum wird breit ausgenutzt: Neben dem bereits erwähnten Tretboot auf der Regnitz und der Einbeziehung des Publikums wird auch die Trauerweide integriert. Die Anzahl der verwendeten Requisiten ist insgesamt minimal, was die Fremdheit der Figuren gegenüber Wagners Stück perfekt unterstreicht: Herwarth wird kurzerhand zum Wagnerschen, blonden Siegmund durch eine gelbe Badekappe oder ein bereits anderweitig verwendeter Helm wird zu Sieglindes Suppenschüssel. Und immer wieder tritt der riesige Holzschwan auf. Eine Distanz zu Wagner vermittelt das Stück jedoch auch in anderer Hinsicht: Immer wieder wird auf die antisemitische Haltung des Komponisten aufmerksam gemacht und verdeutlicht, dass diese niemals hinter seiner Kunst zurücktreten darf.

Insgesamt hat das Stück durch seine vielen skurrilen Überraschungsmomente, den Wechsel aus Komik und Dramatik und den zahlreichen kreativen Momenten auf ganzer Linie überzeugt und vermittelt authentisch und auf verschiedenen Ebenen den Spaß und die Relevanz von Teamwork auf der Bühne!

Weitere Vorstellungen finden am 7., 18., 21. Juni sowie am 8., 9., 15., 16., 17., 19., 22. und 23. Juli 2025 statt. Beginn ist jeweils um 20 Uhr.

von Hannah Orth

Fotos: Werner Lorenz; auf den Bildern: Ursula Gumbsch und Martin Habermeyer.

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