Alina Buschmann / Luisa L’Audace (Hrsg.) – Angry Cripples. Stimmen behinderter Menschen gegen Ableismus
Alina Buschmann / Luisa L’Audace (Hrsg.) – Angry Cripples. Stimmen behinderter Menschen gegen Ableismus

Alina Buschmann / Luisa L’Audace (Hrsg.) – Angry Cripples. Stimmen behinderter Menschen gegen Ableismus

„Es geht um Augenhöhe und um Vielseitigkeit.“

CW: Ableismus, Rassismus, Sexismus

Alina Buschmann und Luisa L’Audace schaffen in Angry Cripples Raum für Beiträge von weit mehr behinderten Menschen als das Buch Kapitel hat: Neben längeren Beiträgen von mehreren Künstler*innen und Aktivist*innen, inklusive der beiden Herausgeberinnen, kommen in einem Kapitel noch viele weitere Menschen mit kurzen Beiträgen zu Wort. So entsteht ein Essayband, der durchaus den Anspruch erheben darf, eine Vielfalt an behinderten Lebensrealitäten widerzuspiegeln. Aber auch eine Vielfalt an Kunstformen – Essays mischen sich mit Illustrationen, Prosatexten, Interviews – und an behandelten Themen: Es geht um Intersektionalität, Gesellschaftskritik, Inklusion. Um problematische Machtverhältnisse in Berufen, die eigentlich der Unterstützung behinderter Menschen dienen sollten. Um das Gefühl der Isolation, das sich einstellt, wenn sich alle Kinder im Ort aus der Schule kennen, die eigene Förderschule aber weiter entfernt liegt. Um den unweigerlich in Selbsthass mündenden Versuch einer Jugendlichen, sich von anderen behinderten Menschen zu distanzieren, um als weniger behindert wahrgenommen zu werden.

„Ich sage gerne, dass ich beim Dazugehören immer irgendwie einen Schritt daneben oder dahinter war.“

Die Beiträge sind wohl ebenso vielseitig wie die Eindrücke, die bei den Leser*innen entstehen. Rezensionen sind zwangsläufig subjektiv, aber diese ist es vielleicht mehr als andere – eine weitere Stimme, die sich zu den im Buch gesammelten gesellt.

„Die Natur macht keine Fehler. Die Natur ist eine kreative Künstlerin, die sich in ihrer Vielfalt ausdrückt“ heißt es einmal und ich kommentiere innerlich: „Sorry, aber manchmal macht die Natur eben Fehler.“ Dass ihr bei mir einer passiert ist, hat mich trotzdem nie glauben lassen, dass ich deshalb als Mensch weniger wert bin. Weil Fehler nämlich okay sind!

Dieses Gefühl der Irritation – immer wieder kommt es beim Lesen auf.

Wenn ich Erfahrungen nicht teile, denke ich manchmal: „Das stimmt doch gar nicht, das erlebe ich überhaupt nicht so.“ Und dann: „Nur, weil ich das nicht so erlebe, heißt das ja wirklich nicht, dass das niemand tut.“ Darauf wiederum: „Aber dann sollen sie es nicht so darstellen, als wäre das eine universelle Erfahrung behinderter Menschen!“ Und schließlich: „Stellt das denn irgendwer so dar? Oder tue ich mich nur schwer damit, zu akzeptieren: Es gibt Erfahrungen, die viele behinderte Menschen machen, ich aber nicht? Warum ist das ein Problem für mich? Wem muss ich denn beweisen, dass ich behindert genug bin? Und überhaupt: Behindert genug wofür?“

Angry Cripples ist ein Buch, das herausfordert, aber auch einiges erhellt. Und eines, das bestärkt. Denn es gibt nicht nur diese Momente, in denen ich mit dem Text und mit mir selbst ringe. Sondern auch solche, in denen ich innehalte und denke: „Oh. Endlich. Jemand hat es in Worte gefasst.“

von Johanna Ammon

Alina Buschmann / Luisa L’Audace (Hrsg.)
Angry Cripples. Stimmen behinderter Menschen gegen Ableismus
Leykam 2023
256 Seiten
23,50 Euro
ISBN 978-3-7011-8277-0

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