Kristine Bilkau- Halbinsel
Kristine Bilkau- Halbinsel

Kristine Bilkau- Halbinsel

Im Wind der Zweifel: Vom Suchen und Bleiben am Wattenmeer

CW: Emotionale Erschöpfung, Depressionen, Verlust



An der Nordsee lebt Annett, verwitwet, Mitte vierzig. Ihre Tochter Linn, Mitte zwanzig, kehrt nach einem Zusammenbruch aus ihrem umweltpolitischen Engagement erschöpft und orientierungslos zurück nach Hause. Aus einer Woche werden Monate. Zwischen Mutter und Tochter brechen alte Spannungen auf, zwei Generationen ringen um Verständnis. Eine eindringliche Erzählung über Überforderung, Ideale und die Frage, wie man heute noch sinnvoll leben kann.

Ein Ort für leise Gedanken

Halbinsel überzeugt mit einer eigenen ruhigen und atmosphärischen Art. Besonders das Setting an der Nordsee ist sehr greifbar: offen, kühl, doch gleichzeitig tröstlich. Das kleine Haus am Meer wird zu einem Rückzugsort, an dem Fragen nach dem eigenen Leben, der Vergangenheit und der Zukunft gestellt werden können.
Der Roman schafft es, einen stillen Raum zum Innehalten zu eröffnen, sowohl für seine Figuren, als auch für die Lesenden. Eben wie das Umfeld sind auch die Figuren authentisch dargestellt. Kristine  Bilkau beweist ein gutes Gespür für zwischenmenschliche Bindungen. Die Beziehung des Mutter-Tochter-Gespanns bleibt stets anschaulich und nachvollziehbar. Besonders die Mutter, die die Leser den Roman über in ihrer Gedankenwelt begleiten, reflektiert über ihr Leben, ihre Erinnerungen und ihre Beziehung zu Linn, ihrer Tochter, offenbart dabei Unsicherheiten, Widersprüche und innere Unruhen. Denkweisen der verschiedenen Generationen werden so feinfühlig gegenübergestellt. Dies macht das Buch auch besonders. Es geht nicht um große Wendungen, sondern um leise, aber lebensnahe und beobachtete Spannungen sowie Gedanken, die viele nachvollziehen können.
Bei aller Stärke in Atmosphäre und Figurenzeichnung wirkt der Roman stilistisch jedoch stellenweise eher wie ein Aufzählen von Beobachtungen und inneren Zuständen. Es fehlt manchmal die literarische Verdichtung, die die Geschichte beim Lesen eindringlicher wirken lassen würde.
Auch die zentrale Botschaft des Buches, die Suche nach einem Platz in der Welt voll mit Konflikten und eigenen Existenzfragen, ist zwar spürbar, hätte zum Ende jedoch stärker ausgearbeitet sein können. Man versteht, worauf die Autorin hinauswill, doch es bleibt das Gefühl, dass das Buch an dieser Stelle hätte tiefer greifen dürfen.
Trotz kleiner Schwächen gelingt es Halbinsel, ein zentrales Thema unserer Gegenwart feinfühlig zu erzählen, es ist ein Thema, das heutzutage viele Menschen beschäftigt, und der Roman bietet diesen Personen eine Stimme: Wie gehen wir in einer schnelllebigen und lauten Welt mit innerer Leere, mit Vergangenheit, Traumata und mit den Erwartungen an uns selbst um? Wie unterschiedlich erleben dies Menschen verschiedener Generationen aktuell? Kristine Bilkau zeigt, dass diese Fragen uns alle verbinden, über Alter und Lebenslagen hinweg.

von Annalena Bianca Bennek

Kristine Bilkau
Halbinsel
Luchterhand Literaturverlag 2025
224 Seiten
24,00 Euro
ISBN 978-3-630-87730-3

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