Oscar Wilde – Das Bildnis des Dorian Gray
Oscar Wilde – Das Bildnis des Dorian Gray

Oscar Wilde – Das Bildnis des Dorian Gray

Ein tragischer Wunsch…

CW: Ableismus, Antisemitismus, Blut, Drogenkonsum, Gewalt, Misogynie, Mord, Rassismus, Sexismus, Suizid

…ist es, der den Protagonisten Dorian Gray in Oscar Wildes einzigem Roman Das Bildnis des Dorian Gray in tiefe moralische Abgründe stürzt. Das Werk des irischen Schriftstellers wurde erstmals im Juli 1890 veröffentlicht und ist seither Gegenstand zahlreicher Neuauflagen. Auch das Verlagshaus Jacoby & Stuart hat dem Roman ein neues Gewand verpasst und Das Bildnis des Dorian Gray in einer illustrierten Schmuckausgabe zu neuem Leben erweckt. Für atmosphärische Illustrationen, die surrealistisch anklingen und farbenprächtig den verhängnisvollen Lebensweg Dorians begleiten, sorgt der französische Künstler Benjamin Lacombe. Die visuelle Begleitung des Textes zeichnet sich durch teilweise düstere sowie auch melancholische Bilder aus, die regelmäßig um eine Blumen- und Tiersymbolik ergänzt werden. Dadurch spiegeln die Illustrationen Jugend und Vergänglichkeit als zentrale Themen des Werkes wider. Was diese Ausgabe zudem zu einem besonderen Leseerlebnis macht, ist, dass der Text auch all jene Passagen enthält, die seinerzeit zensiert wurden.

„Wenn ich immer jung bleiben könnte und dafür das Bild immer älter würde! […] Ich gäbe meine Seele dafür!“

Der Maler Basil Hallward ist begeistert von seinem neuesten Modell – dem jungen Dorian Gray, der für den Künstler Perfektion verkörpert und diese durch seine vollkommene Schönheit nach außen trägt. Als der Jüngling durch Basil auf dessen Freund Lord Henry Wotton trifft, nimmt Dorians Leben eine drastische Wendung. Lord Wotton besticht durch seine Wortgewandtheit, die Dorian sofort in ihren Bann zieht. Schnell dringen Wottons brillant anmutende Worte tief in Dorians Bewusstsein ein. Als Verfechter eines radikalen Hedonismus, der Genuss als höchstes Ziel markiert, wird Dorian so in Wottons dekadente Welt eingeführt – und zugleich zum Spielball seiner psychologischen Manipulation. Denn bald verspürt Dorian nur noch eines: Angst, seine Jugend zu verlieren, Vergnügen, Genuss und Ausschweifungen nicht in vollen Zügen ausleben zu können und schließlich dem Alter zu verfallen. Ein unbedacht ausgesprochener Wunsch nach ewiger Jugend wird dem jungen Mann schließlich zum Verhängnis, indem an seiner Stelle das von Hallward geschaffene Gemälde den Spuren der Zeit und seiner moralischen Verfehlungen unterliegt. Was zunächst als Erfüllung einer Sehnsucht erscheint, öffnet so immer tiefere moralische und soziale Abgründe, denen sich Dorian letztlich stellen muss.

„Jeder von uns hat Himmel und Hölle in sich, Basil!“

Wilde wirft in seinem Roman tiefgreifende philosophische und psychologische Fragen auf. Er verwebt gekonnt Themen wie Jugend, Tugend, Genuss und Moral – und die Frage nach dem Preis, den man gewillt ist, für Erstere zu bezahlen. Durch spannende, rhetorisch ausgefeilte Dialoge liest sich der Roman flüssig und spiegelt mittels der eindrücklichen Illustrationen die innere Zerrissenheit des jungen Protagonisten wider. Immer neue Anreize vermittelt der Roman, um über Moralvorstellungen, gesellschaftliche Ideale und den persönlichen Umgang mit Schuld nachzudenken.

Eine umfassende und eindrückliche Leseerfahrung bietet Jacoby & Stuart mit eben dieser Romanausgabe, die – besonders im Hinblick auf die Zeit ihrer ursprünglichen Veröffentlichung und der damaligen Einschätzungen des Werks als anrüchig und unmoralisch – ihre Wirkmächtigkeit entfaltet.

von Judith Heruc 

Oscar Wilde
Das Bildnis des Dorian Gray
Mit Illustrationen von Benjamin Lacombe
Aus dem Englischen von Hedwig Lachmann und Gustav Landauer
Jacoby & Stuart 2024
256 Seiten 
49,00 Euro
ISBN 978-3-96428-223-1 

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